Dies ist eine alte Version des Dokuments!


Der Zauberlehrling

Johann Wolfgang von Goethe 1797

01 Hat der alte Hexenmeister
02 sich doch einmal wegbegeben!
03 Und nun sollen seine Geister
04 auch nach meinem Willen leben.
05 Seine Wort' und Werke
06 Merkt ich und den Brauch,
07 und mit Geistesstärke
08 tu ich Wunder auch.

09 Walle! Walle!
10 Manche Strecke,
11 dass, zum Zwecke,
12 Wasser fliesse
13 und mit reichem, vollem Schwalle
14 zu dem Bade sich ergiesse.

15 Und nun komm, du alter Besen!
16 Nimm die schlechten Lumpenhüllen;
17 Bist schon lange Knecht gewesen;
18 Nun erfülle meinen Willen!
19 Auf zwei Beinen stehe,
20 Oben sei ein Kopf,
21 Eile nun und gehe
22 mit dem Wassertopf!

23 Walle! Walle!
24 Manche Strecke,
25 dass, zum Zwecke,
26 Wasser fliesse
27 und mit reichem, vollem Schwalle
28 zu dem Bade sich ergiesse.

29 Seht, er läuft zum Ufer nieder;
30 Wahrlich! ist schon an dem Flusse,
31 und mit Blitzesschnelle wieder
32 ist er hier mit raschem Gusse.
33 Schon zum zweiten Male!
34 Wie das Becken schwillt!
35 Wie sich jede Schale
36 voll mit Wasser füllt!

37 Stehe! Stehe!
38 Denn wir haben
39 deiner Gaben
40 vollgemessen! -
41 Ach, ich merk es! Wehe! wehe!
42 hab ich doch das Wort vergessen!

43 Ach, das Wort, worauf am Ende
44 er das wird, was er gewesen.
45 Ach, er läuft und bringt behende!
46 Wärst du doch der alte Besen!
47 Immer neue Güsse
48 bringt er schnell herein,
49 Ach! und hundert Flüsse
50 stürzen auf mich ein.

51 Nein, nicht länger
52 kann ich's lassen;
53 Will ihn fassen.
54 Das ist Tücke!
55 Ach! nun wird mir immer bänger!
56 Welche Miene! welche Blicke!

57 O du Ausgeburt der Hölle!
58 Soll das ganze Haus ersaufen?
59 Seh ich über jede Schwelle
60 doch schon Wasserströme laufen.
61 Ein verruchter Besen,
62 der nicht hören will!
63 Stock, der du gewesen,
64 steh doch wieder still!

65 Willst's am Ende
66 gar nicht lassen?
67 Will dich fassen,
68 will dich halten
69 und das alte Holz behende
70 mit dem scharfen Beile spalten.

71 Seht, da kommt er schleppend wieder!
72 Wie ich mich nur auf dich werfe,
73 gleich, o Kobold, liegst du nieder;
74 Krachend trifft die glatte Schärfe.
75 Wahrlich! brav getroffen!
76 Seht, er ist entzwei!
77 Und nun kann ich hoffen,
78 und ich atme frei!

79 Wehe! Wehe!
80 Beide Teile
81 stehn in Eile
82 schon als Knechte
83 völlig fertig in die Höhe!
84 Helft mir, ach! ihr hohen Mächte!

85 Und sie laufen! Nass und nässer
86 wird's im Saal und auf den Stufen.
87 Welch entsetzliches Gewässer!
88 Herr und Meister! hör mich rufen! -
89 Ach, da kommt der Meister!
90 Herr, die Not ist gross!
91 Die ich rief, die Geister,
92 werd ich nun nicht los.

93 »In die Ecke,
94 Besen! Besen!
95 Seid's gewesen.
96 Denn als Geister
97 ruft euch nur, zu seinem Zwecke,
98 erst hervor der alte Meister.«

Text zum Download: zauberlehrling.pdf

Rhetorische Figuren

Rhetorische Figuren sind sprachliche Gestaltungsmittel, die den Satzbau, einzelne Wörter oder Wortteile verändern. Wörter und Sätze werden benutzt, um bei den Leser:innen oder Zuhörer:innen eine bestimmte Wirkung zu erzielen.

Hyperbel (Übertreibung)

Bsp.: Alle meine Freunde dürfen das auch, nur ich nicht!“
Es wird etwas übertrieben dargestellt, um z.B. deutlich zu machen, wie drastisch etwas ist.

Anapher (Satzangänge werden wiederholt)

Bsp.: Ich erwarte, dass ich eine Inhaltsangabe schreibt. Ich erwarte, dass ihr im Präsens schreibt.“
Ein Satzanfang wird wiederholt, z.B. um etwas zu betonen.

Rhetorische Frage (eine Frage, die nicht wirklich als Frage gemeint ist)

Bsp.: Glaubt ihr wirklich, dass wir an einem Freitag in der sechsten Stunde nur spielen werden?
Die Antwort auf diese Frage ist völlig klar. Die Frage wird gestellt, um klarzumachen, dass Unterricht stattfindet.

Personifikation (einem Gegenstand menschliche Eigenschaften zuweisen)

Bsp.: „Das ist ein total verrücktes Möbelstück!“
Nur Menschen können „verrückt“ sein. Die Personfikation dient dazu, um zu verdeutlichen, dass das Möbelstück nicht den normalen Erwartungen entspricht.

Wiederholung (etwas wird mehrfach genannt)

Bsp.: „Nee, nee, das mit dem Spielen könnt ihr vergessen!“
Die Wiederholung am Anfang bekräftigt noch einmal die Aussage des Satzes.

Nach oben